Eher Glitzerkleid als Lederhose

Schon wieder interessant.

Kaum äußert dieser Gabalier in irgendeinem Interview seine erdige Steirerbua-Meinung, hebt aufgeregtes Gegacker im Pressestall an. Der eine lederhosern bodenständig, die anderen sofort modisch-halstüchern aufgescheucht.

Mag es bei Ersterem Teil seiner Marke sein, Teil seiner Kunstfigur, die er wahrscheinlich gar nicht sein will, so mag es bei den Zweiteren Teil ihrer zum Reflex erhobenen Exaltiertheit sein, wenn es darum geht, dass die eigene Toleranz dann doch zu sehr ausgereizt wird. Wie eben durch diesen Gabalier.

Also Toleranz unbedingt, aber bitte nicht in jede Richtung. Bei der Conchita geht sich das aus. Nein, weit mehr, die Toleranz erhielt durch diese Kunstfigur sogar noch einen schillernden Glanz. Quasi Glanztoleranz.

Aber beim Gabalier, der es besser findet, wenn Mütter sich länger um ihre Kinder kümmern, geht sich das mit der propagierten und gefeierten Toleranz schon nicht mehr so aus.

Tags darauf dann sofort Stempel über Stempel in Artikel und Kommentaren: Rückwärtsgewandter, konservativer Sack, der nicht wisse, was es heißt, Kind und Karriere unter einen Hut zu bekommen und so weiter. Dass es diesem Sack a priori ums Vermeiden der Vereinbarkeit geht und ein a posteriori für ihn folglich gar nicht evident ist, haben dann schon wieder weniger begriffen. Sei`s drum. Wichtig ist die Ereiferung als ideologische Pose.

Und dabei ist natürlich auch interessant, dass dieses Ereiferungsgegacker der Toleranzglänzer beinahe völlig ausbleibt, wenn etwa ein Nazar einen Strache als Hurensohn bezeichnet oder ihn für schwul erklärt. Als wäre beides verwerflich. Hier findet sich eher Berichterstattung in den Medien als zitterndes Echauffement.

Aber ein Strache hat natürlich sowieso weniger Meter als Heerscharen von Karriere- oder alleinerziehenden Müttern. Das verstehe ich schon.

Der Idee der Toleranz an sich, der es in all dem Herumgerummel gilt den Boden zu bereiten, ist mein Verständnis aber wurscht.

Das mit der Toleranz sehen Meinungsmacher mitunter aber anders. Siehe oben. Das mit der Toleranz ist auch schwierig. Das gebe ich schon zu. Die hat`s überhaupt nicht leicht.

Das mit der Toleranz ist bei uns aber auch schon so eine Sache. Die Conchita wird über jeglich adäquates Maß hinaus verherrlicht, der Gabalier unverhältnismäßig breitflächig hergefotzt und der Nazar gerade mal abgehandelt.

Geht man nach der veröffentlichten Meinung, sind wir in Österreich also mehrheitlich eher Glitzerkleid als Lederhose. Nicht dass das ganz so neu wäre, aber immer wieder interessant zu beobachten, welche Richtung im Gesellschaftsverständnis die veröffentlichte Meinung uns vorzugeben versucht.

Jedenfalls ist die Toleranz auch nicht mehr das, was sie nie war.

Schtzngrmm

Das ist nun wirklich unpackbarer Scheißdreck, den der Standard mittels Klaus Taschwer rosarot unterlegt verbreitet. Einen Stellungskrieg heraufbeschwörend, den es derart ideologisch radikalisiert gar nicht gibt. Zu weit gediehen die Reformen, verkrampft oder nicht, zu eindeutig die Evaluierungen und Faktenlagen. Initiativen dort und da.

Aber bei ihm, Taschwer, die Radikalisierung zur Pose erhoben.

Vorneweg: eine Bildungs- und Schulreform ist zweifellos vonnöten; die von Schmied und damaliger Regierungsriege aufgebrochene Baustelle gehört bearbeitet und einer Differenziertheit, Vielfältigkeit, Vergleichbarkeit, Durchlässigkeit und Chancen- bzw. Ressourcengleichheit bzw. -adaptierung zugeführt, wo es diese noch nicht gibt. Keine Frage, da bin ich dabei. Geld her, Ressourcen her, Verkrustetes aufbrechen.

Was Taschwer aber abliefert, ist ideologischer Grabenkampf a la Schützengräben an der Isonzo-Front. Rückwärtsgewandt, verbrämt und Scheuklappen ohne Ende. Studentischer Ho-Ruck-Marxismus. Vermeintlich intellektuell unterbutterte Ideologie, Hammer und Sichel, Flyer vor der Uni und so. Vorgeschoben plattes, schnödes historisches Wissen.

Am 22. März versucht sich derart also dieser Taschwer in der Zeitung für Leser als Gesamtschulbefürworter und bedient sich hierbei abstrusester Vorgehensweise. Schützengraben und so. Siehe oben. Und entlarvt sich und sein Blatt hiermit als im intellektuellen Tiefflug befindlich.

Kern der ganzen Sache („Wie das Gesamtschul-Nein der ÖVP zustande kam“) – seiner Ansicht nach: Die Skepsis und Ablehnung der Volkspartei gegenüber einer gemeinsamen Schule der 10- bis 14-Jährigen fuße auf den Machenschaften und dem Einfluss eines Richard Meister, einer für ihn mächtigen Figur der Pädagogik aus den dunkeln Zeiten autoritärer, Menschen verachtender Systeme. Kennt kein Schwein.

Wurscht. Weiter im Text. Hauptsache Ho-Ruck. Und gebildet daherkommend.

Dieser Richard Meister war ein Latein-Lehrer, der zu universitären Diensten berufen wurde und mitunter dem humanistischen Gymnasium das Wort sprach, und gilt besagtem Taschwer folglich als so was von des Teufels, frage nicht, und im gleichen Atemzug natürlich als ideologischer Urquell der Ablehnung einer Gesamtschule. Tituliert als „Vater des ÖVP-Gesamtschul-Njets“. Der Meister als der Mörtel des Gymnasiumbetons. Vater der ÖVP-Schützengräben. Groß-Meister der Verweigerer in der schwarzen Brut.

Bockmist der Sonderklasse. Aber es kommt noch besser.

Taschwer verknüpft seine Geistesleistung mit der Feststellung, Meister sei katholischer Deutschnationaler, Antisemit und Antisozialist gewesen. Und Gegner Glöckels, des Heiligen. Und fertig ist der intendierte Folgeschluss, dass ein Nein zur Gesamtschule seine Wurzeln im Deutschnationalen, im Antisemitismus und im Antisozialismus habe. Allein die semantische Verknüpfung von Anti und den Begrifflichkeiten Semitismus und Sozialismus ist eine infame Perfidie. Geistiger Hoppertatsch.

Zudem sei dieser Ober-Meister, den mit Sicherheit und Gott sei Dank keiner der ÖVP-Chefideologen kennt, auch für den Niedergang der Universität Wien verantwortlich. Ja sicher. Unbedingt.

Wahrscheinlich auch für die Bedrohung der weltweiten Panda-Population, den ausstehenden Weltfrieden und den ungenügenden Schutz der Wale. Zum Henker mit den Norwegern und den Japanern und so. Das hat Taschwer aber nicht mehr geschrieben. Wahrscheinlich zu wenig rosaroter Platz. Oder doch Ermangelung an Weitsicht.

Und wenn Taschwer dem Meister bestenfalls wissenschaftliches Mittelmaß unterstellt, mag er wohl Recht haben. Einerlei. Fix ist jedenfalls, dass dieser Taschwer nicht einmal Mittelmaß aufweist, sondern jedes noch so tief liegende Maß von Verstand leichtfüßig und mit aufrechtem Gang und einem strammen Freundschaft auf den Lippen unterschreitet.

Intellektueller Tiefflieger. Journalist im klassenkämpferischen Schtzngrmm.

Il Principe

Machiavellis Werk gilt bis heute als theoretische Grundfeste des Absolutismus, eher für den Aufbau als für den Erhalt dessen. Für Letzteres sollte man in seinem Discorsi nachlesen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Angesichts der wieder aufflammenden Diskussionen rund um die „Verländerung“ aller Lehrer schiebt sich einem unweigerlich besagtes Traktat des italienischen Politikers ins Gedächtnis. Aber der Reihe nach.

Natürlich ist es absurd genug, dass in den Bundesländern dort und da die Pflichtschullehrer vom Land verwaltet werden, die Lehrer höherer Schulen vom Bund. Sogar die Bürgermeister haben etwa bei den Kindergärten mitzureden. Während die Bezahlung aller seitens des Bundes erfolgt. Paradebeispiel der oft zitierten Mehrgleisigkeit in der Verwaltung. Ausgangspunkt fürstlicher Begehrlichkeiten hinter dem Vorwand der Reformbereitschaft.

Wenn man diese tatsächlich unsäglichen Mehrgleisigkeiten aber so beseitigt, indem alle Kompetenzen außer der Lehrplangestaltung und -überwachung und ein bisserl anderer Firlefanz ins Land übergehen, ist man irgendwo zwischen Kapitel 3 und 5 bei Machiavellis Il Principe. Zu hören ist auch, dass der Bund eh die Kontrolle über den Einsatz aller Lehrer bekommen soll. Lieb. Das rührt einen geradezu.

Es geht den Landesfürsten eindeutig und unverhohlen um Machtzugewinn. Fertig aus. Einen Vorteil für die Schule oder gar die Schülerschaft kann man natürlich nicht ausmachen. Jegliche Argumentation ist schlichtweg Unfug, einige Fürsten tun sich diese Volte eh nicht an.

Und Einsparungspotential ist sowieso absoluter Blödsinn, weil Sachbearbeiter braucht es in diesem und jenem System. Was ausbliebe, wäre das zeitweilige, beschissene Hickhack zwischen den Landesschulräten und den Schulabteilungen des Landes.

Wenn der Bund eh alles bezahlt, gebe ich sämtliche Befugnisse seinen Behörden in den Bundesländern und fertig. Die ganze Sache hätte ein Ende. Aber die Fürsten. Von Pröll über Pühringen und Häupl. Die Ewigen.

Mit BM Schmid war über diese Allmachtsphantasien seitens der Fürsten nicht zu reden, Heinisch-Hosek ist nach gar zu hämmerndem Brustgetrommel aus den Bundesländern mit heutigem Dienstag auch vorsichtiger geworden, nur Kanzler Faymann weiß schon wieder nicht so recht. Naja, schau ma mal und so, aber gfallen tat`s ma schon. Glaub i. Bis der Michl halt über die Medien klar sagt, wo`s lang geht.

Balsam in den Ohren einiger schwarzer und roter Landesfürsten. Schwächelt der Kanzler, blähen die Fürsten ihre Säcke auf. Das hatten wir schon in manches Kaisers Zeiten.

Zu streng dürfte der Wind wieder im Burgenland über die pannonische Tiefebene fegen und mancherorts den Verstand ausdörren. Anders ist es nicht zu erklären, dass LH Niessl nach der angestrebten Verländerung auch über ein neues Dienstrecht betreffend bestehende Verträge sprechen will (also: weg mit Bundesverträgen, her mit Landesverträgen). Niessls Hose wird in letzter Zeit sowieso immer dicker. Bald dürfte sie selbst einem Häupl zu groß sein. Silberrücken im Osten Österreichs.

Landeshauptmänner hin, Hosen her.

In Österreich haben wir ohnehin schon unterschiedliche Kompetenzen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden im Schulbereich. Bei einer Verländerung aller Lehrer ist die Gefahr immens groß, dass auch neun unterschiedliche Schulsysteme entstehen. Samt Anstelllungs-, Versetzungs- und sonstigen Modalitäten. Was bliebe, ist, dass keine Reform im Bildungsbereich mehr gegen den Willen der Landeschefs beschlossen werden könnte. Und dass die Fürsten künftig über Direktoren- (na gut, nicht ganz so neu, aber bis dato immerhin das LSR-Kollegium dazwischen) und auch Lehrerpostenbesetzung, etc. (s.o.) alleine bestimmen könnten. Das sieht sogar der ewige Schilcher so.

Wieder ertönende Parole aus den Ländern: Bildungsdirektionen und keine Landesschulräte. Keine Präsidenten. Die machen dann die 9 zuständigen Landesräte. Die Teil der Landesregierung sind. Und dem Fürsten unterstehen. Conclusio: der Sachbearbeiter in der Bildungsdirektion aus der Abteilung Dienst- und Besoldungsrecht an mittleren und höheren Schulen hat im Bedarfsfall das zu tun, was Il Principe über sein Büro ausrichten lässt. Und nicht, was dem jeweiligen Bundesgesetz und den dazugehörenden Gepflogenheit entspricht.

Nur damit wir wissen, worum es hier tatsächlich geht.

Principilis obsta – verballhornter Ovid. Einerlei. Sonst kann sich der Bund im Bildungsbereich gleich selber abschaffen und den Fürsten das Feld überlassen.

Die Masern, die Impfpflicht, die Taliban und der Balkan

In Berlin sind Medienberichten zufolge über 650 Menschen an Masern erkrankt. Ein Kleinkind starb. Recherchiert man weiter, erfährt man, dass die Masern in Berlin angeblich aus dem Balkan eingeschleppt wurden. Demnach nahm die Epidemie ihren Anfang im Oktober vergangenen Jahres in einem Berliner Flüchtlingsheim. So liest man es in mehreren deutschen Blättern. In Online-Ausgaben ist diese Herleitung teilweise bereits wieder verschwunden. Eh klar, warum.

Im Februar und März 2013 brachen im Raum Kitzbühel die Masern unter Kindern von Eltern aus, die erklärte Impfgegner waren. Über diese Impfgegner wiederum ist aus befugten Mündern zu erfahren, dass gerade bei Personen mit hohem Bildungsniveau eine große Skepsis gegenüber Impfungen verbreitet ist.

Seit Tagen wogen daher in unseren Breiten heftige Diskussionen über eine etwaige Impfpflicht angesichts steigender Impfskepsis bzw. -verweigerung.

Anders sieht die Sache in Pakistan aus. Dort wird eher weniger diskutiert.

Dort verweigern sich Bevölkerungsteile auch den Impfungen. Gerade eben gegen Polio. Folge ist ein Anstieg der Erkrankungen um 93 Prozent. Das ist nicht nichts. Besonders frappant im Grenzgebiet zu Afghanistan. Erklärung: die radikalislamischen Taliban greifen regelmäßig Impfteams an, weil Letztere verdächtigt werden, für die USA zu spionieren und mit den Impfungen versuchen würden, Muslime unfruchtbar zu machen.

Dort die Taliban. Hier der Balkan. Geschichte wiederholt sich. Brunnenvergifter.

Diese Herleitungen verschwinden nicht aus den Online-Medien. Auch klar, warum.

Die Reaktion der pakistanischen Regierung ist eine andere als die der unseren. Sie geht her und lässt 500 Männer in der nordwestpakistanischen Stadt Peshawar und drei umliegenden Distrikten verhaften, weil sie ihre Kinder nicht hätten impfen lassen.

Die zuständige Gesundheitsministerin Saira Tarar kündigte an, Impfverweigerung werde künftig nicht mehr toleriert.

In unseren Breiten braucht es wohl mehrere tote Kinder, unzählige Blabla-Shows a la Im Zentrum, ehe irgendetwas geschieht und erkannt wird, dass die Gesundheit der Bevölkerung von ignoranten Verweigerern fahrlässig gefährdet wird. Zeitbomben, die auch in den USA immer lauter ticken. Wohlstandsphänomen.

Nicht dass der drastische pakistanische Weg Vorbild sein sollte, aber jedenfalls erkennen die dort, dass der Hut brennt, und reagieren.

Eine rasche Reaktion unserer Politik ist dringend vonnöten, auch wenn sich die anscheinend großteils gebildet-bürgerliche Schicht samt ihrer sie alternativ betreuende Ärzteschaft in ihrem Selbstverwirklichungsmantra und ihrer mitunter zur Religion erhobenen Eigenverantwortlichkeit bedroht fühlt. Ich rede hier keineswegs von Verhaftungen, bitte. Es gibt auch andere motivierende Maßnahmen.

Selbstbestimmung hat dann ihre Grenzen, wenn sie das Leben anderer in Gefahr bringt. Punkt.

Unterrichtsminiatur. Eins.

Geschichtestunde, 3. Klasse Gymnasium. Auf dem Plan: Spanischer Erbfolgekrieg. Wenig sexy, besonders für 13-Jährige. Zugegeben.

Als das Lehrbuch nach Eingangsworten seitens des Lehrers aufgeschlagen wurde, erkennt die Klasse, dass besagter Krieg in einem Kästchen – 12 Zeilen zu je 5 bis 6 Worten – abgehandelt wird. Daneben eine comicartige Illustration. Habsburgerlinie ist dort ausgestorben. Nachfolgestreit. Irgendsoein Anjou wird neuer spanischer König, die Habsburger bekommen die spanischen Niederlande, Mailand und Neapel. Fertig, aus.

Nach 45 Sekunden des gespannten Wartens Schülerin mit Fragezeichen im Gesicht: Und warum machen wir das jetzt? Das ist ja überhaupt für nix! Ha – da ist sie also, die gewünschte Kompetenz!

Ja, genau! Da wollen wir also hin: spanisches Erbdings in ein 5 mal 7cm-Kasterl gezwängt.  Und dazu die Kompetenz zu erkennen, dass man das bei der Füllung dieses Lehrbuches besser gleich hätte lassen können. Habsburgerheinis in Spanien und die europäischen Interessen und dieser ganze Wissenskrampf. Kompetenzentleert. Für nix. Nicht verwert- und anwendbar auf den ersten Blick. Nur als stumpfes Wissen verkauft.

Mistkübel der Geschichtsvermittlung. Und stolz auf die kompetente Schülerin, die das erkannt hat.

Lehren kann manchmal so einfach sein.