People over profit

Der Zustand der Welt – der gesellschaftliche, politische wie auch wirtschaftliche – zeigt in den letzten Monaten sehr deutlich, dass sich das neoliberale System in den letzten 50 Jahren nicht nur erschöpft, sondern auch die absurdesten politischen Führerfiguren hervorgebracht hat. Bolsonaro, Trump, Netanyahu, Boris Johnson etwa. Natürlich noch viele mehr. Die fahren ihre Länder mit allem, was sie haben, gegen die Wand.

Die haben für die Menschen nicht so viel über, eher mehr für ihre eigene Arroganz, ihre gnadenlose Selbstinszenierung und inhaltslose Ahnungslosigkeit. Auswüchse einer entsolidarisierten Gesellschaft, eines egoistischen, gewinnorientierten Systems. Neoliberalismus.

Und die Profiteure dieses ökonomischen Systems konnten da wie dort über Jahrzehnte Konstrukte aufbauen, die ihnen halfen, Steuern zu vermeiden, von der Spaltung der Gesellschaft zu profitieren und aus ihren Reihen eben jene politischen Führer zu generieren, die für die Bewahrung dieses Systems eintraten, nach wie vor eintreten und nach der politischen Karriere dorthin übertreten.

Dass in diesem jahrzehntelangen Vorgang vor allem in Europa auch mehr oder weniger solidarische Sozialstaaten aufgebaut werden konnten, ist wunderbar, aber jedenfalls kein Verdienst der neoliberalen Kräfte. Das haben andere politische Bewegungen in demokratischen Systemen erreichen können. In West-Europa hat man so ein eigenes Modell erschaffen können. In den letzten gut zwanzig Jahren hat sich aber auch hier der Turbokapitalismus mit seinem unkontrollierten, ausufernden Finanzmarkt etablieren können. Ein in sich und nur für sich wucherndes Geschwür. Auch die Steuervermeidung internationaler Konzerne feiert in der EU fröhliche Urständ.

In anderen Teilen der Welt gilt nach marktwirtschaftlicher Logik und rein neoliberalem Habitus ohnehin nur das survival of the fittest. Das hat über Jahrzehnte zig Millionen Menschen an den wirtschaftlichen Rand und darüber hinaus gedrängt. Für sie ist Teilhabe am System schwierig bis unmöglich. Fehlende Bildungs- und Aufstiegschancen. Dazu struktureller und direkter Rassismus. Siehe USA, Brasilien, Fernost. Die wirtschaftlichen Gewinne kommen bei den Menschen nicht an.

Das Prinzip „profit over people“ und mit ihm die gesellschaftliche Spaltung, das Aufgehen der viel zitierten Schere, zeigt gerade jetzt in heftiger Krisenzeit eindrücklich, dass es nur darauf ausgerichtet ist, sich selbst und seinem Wachstum zu genügen, aber nicht darauf, einer starken gesellschaftlichen, gesundheitlichen, sozialen und somit wirtschaftlichen Krise standzuhalten. Nicht Amazon, nicht Google, nicht Starbucks, Ikea, Apple, Facebook, Raiffeisen, Deutsche Bank, die Wallstreet oder die Frankfurter Börse stemmen derartige Krisen.

Es sind die Staaten mit unserem Steuergeld, die das tun. Dieselben Staaten, die für genannte Konzerne besagte Steuerlöcher geschaffen haben und bis heute aufrechterhalten. Man spricht davon, dass auf diese Weise allein den Staaten Europas etwa 1000 Milliarden Euro jährlich entgehen. Jährlich.

Vor einem Monat hat die EU ein 1700-Milliarden-Euro-Paket geschnürt, mit dem die Corona-Krise überwunden werden soll. Mit Geld, das wir Beschäftigte und unsere Firmen über Jahrzehnte zurückzahlen werden müssen. Sofern das überhaupt kann und muss. Wo es dann jedenfalls fehlen wird, das Geld, kann man sich in jetziger politischer Lage angesichts der vielen rechtskonservativen und rechten Regierungen in Europa in etwa ausmalen. Man stelle sich nur vor, ein Salvini, Orban, Baudet, Meuthen oder eine Weidel säßen kräftig am Ruder. Aber die verlieren oder stagnieren ohnehin. Diese Gestalten haben außerhalb von Fremdenhass, Chauvinismus und Nationalismus ja keine Konzepte.

Es fehlt gerade an politischem Mut, an politischen Konzepten und visionärem Esprit, die dafür sorgen könnten, dass ein zukunftstaugliches Narrativ entstehen kann, wonach aus den Verwerfungen und offensichtlichen Schwächen des Neoliberalismus etwas Stärkeres erwachsen kann. Ein System ohne Steuerschlupflöcher, ohne Finanzspekulation, ohne Ungleichheit, dafür mit mehr sozialer Verträglichkeit, einer ausgeglichenen und ausgleichenden Verteilung, einer gerechten Besteuerung, basierend auf ökologischer, ökonomischer und gesellschaftlicher Nachhaltigkeit.

Etwas, das die Menschen über das Wachstum stellt, über den grenzenlosen Profit einiger weniger.

Das wäre doch etwas.

Hierzulande ist davon aber sowieso weit und breit nichts zu sehen. Auf der einen Seite die blankpolierten Türkisen mit Stahllächeln und ohne Ideen, dafür mit viel Huschpfusch, Einheitssprech und Showeffekt und somit eigentlich mit jeder Menge Angriffsfläche und Gaudium für die Opposition, daneben die Grünen, bis zur Unkenntlichkeit entstellt, den beiden gegenüber eine selbstzerstörerische, kaputte Rechtsnationale ohne politischen Anstand und ohne jeglichen intellektuellen Anspruch und eine hilflose, ungeschickte SPÖ, die in ihrer Harmlosigkeit ohne Zug zum Volk keine neue Erzählung finden und aufbauen kann. Dabei wäre genau jetzt die Zeit dafür.

Für ein „people over profit“.

Richtschnur Mensch

Die momentane Situation in Österreich macht eindrücklich deutlich, dass bei all dem guten politischen Willen und Tun vor allem an unserem System so einiges nicht stimmt. Wenn man so will, hat es dieses Virus gebraucht, um vielen Menschen klar zu zeigen, dass an einigen wesentlichen Stellschrauben gehörig geschraubt gehört.

Es braucht eine neue Ära der Solidarität, in der sich diese vor allem auch darin äußern wird müssen, dass sich die Wertschätzung von systemrelevanten Branchen, wie man sie dieser Tage gerne nennt, nicht nur auf ein Klatschen in Krisenzeiten reduzieren darf. Wir müssen künftig danach trachten, dass Berufsgruppen wie Paketzusteller, LKW-Fahrer, Lagerarbeiter, Dienstleister im Handel, Pflegepersonal, Krankenschwestern, all die, die in diesen Wochen immer wieder genannt werden, ordentlich und anständig ausgestattete Kollektivverträge bekommen, in der eine ebenso ordentliche und anständige Entlohnung gesichert wird. Mindestlohn in diesen Branchen.

Beispiel Pflegerinnen aus dem Osten. Würden wir ein ordentliches staatliches Pflegesystem haben, wären wir von diesen Damen weit weniger abhängig.

Bei den Paketzustellern gehören überhaupt schnellstmöglich Kollektivverträge ausgestellt. In diesem Aufwaschen gehört die Leiharbeiterschaft sowieso sofort abgeschafft, ist sie doch nichts anderes als moderne Sklaverei, die darauf abzielt, auf Kosten der Menschen, die keine Lobby und keinen gesellschaftlichen Rückhalt haben, den Profit der involvierten Unternehmen zu steigern. Hier versteckt sich die Wirtschaft auf schäbigste Weise hinter ihrer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft.

Womit ich schon beim nächsten Punkt bin. Die Verantwortung der Wirtschaft für ein gerechtes gesellschaftliches Miteinander gehört seitens der Politik zukünftig stärker eingefordert. Gerechte Entlohnung in Wechselwirkung mit ausgewogenem Gewinnstreben. Es braucht hier eine neue politische Erzählung, in der der Markt nicht mehr die Richtschnur für politisches Handeln ist, sondern das Gemeinwohl und mit ihm die Absicherung desselben. Und damit schlussendlich der Mensch. Anständig entlohnen, produzieren im (europäischen) Inland, Sicherung der Versorgung – gleichzeitig Entlastung des Faktors Arbeit und Belastung des Faktors Kapital als Kausalkette.

Was wir nun gut beobachten können, ist, dass aufgrund der völlig freien Globalisierung samt all der Freihandelsverträge da und dort bedrohliche Engpässe in der Versorgung mit wichtigen Produkten entstehen. Stichwort Schutzausrüstung für Spitäler. Wenn der Chinese nicht liefert, der Franzose und der Deutsche seine Produktionen zurückhält, weil er sie für sich braucht, wird die Lage bei uns schnell mal prekär. Ganz zu schweigen von der Pharmaindustrie. Unsere Medikamente werden schon lange nicht mehr in Europa ausreichend produziert. In Fernost ist die Produktion billiger. Teuer verkauft wird sie dann in Europa. Vorausgesetzt die Schiffe fahren und die Flugzeuge fliegen. Wenn der Chinese nicht liefern kann, hmm, siehe oben.

Es braucht eine Modernisierung des Kapitalismus. Denn der Ruf des entfesselten Marktes hat in den letzten Wochen erheblich gelitten. Er hat die nationalstaatlichen Systeme gefährdet. Wir brauchen mehr Vergesellschaftungen, mit denen der Staat sicherstellen kann, dass er zu jeder Zeit die wesentlichen Güter zur Verfügung hat. Die Produktion „essentieller Güter“ gehört wieder vermehrt nach Europa zurückgeholt. Das macht den Staat durchsetzungsfähiger.

Hierbei braucht es auch eine Verlagerung der Steuerleistung. Wenn der Staat die Steuerlast der produzierenden Gewerbe reduzieren kann, wird in einer neu überdachten Marktlogik das jeweilige Produkt nicht zwangsläufig teurer, wenn seitens des Staates gleichzeitig sichergestellt wird, dass mit der Reduktion der Lohnnebenkosten auch eine parallel verlaufende Verkaufspreisgestaltung einhergeht. Heißt: Wenn ich für die Arbeiter weniger bezahle, weil weniger Lohnnebenkosten für mich, kann ich mein Produkt nicht teurer verkaufen. Zudem kann mit der Senkung der Arbeitgeberbeiträge auch eine anständige Entlohnung der Arbeiter einhergehen.

Um dies als Staat den Unternehmen und Arbeitern ermöglichen zu können, muss man dann Kapital- und Finanzmarkt heranziehen, der im Vergleich zur produktiven Arbeit nicht nur lausig besteuert ist, sondern für den Erhalt des Systems Staat kaum bis nichts beiträgt. Siehe Krisenzeit jetzt. Vielmehr werden mit dieser Krise auch noch lukrative Geschäfte gemacht werden. Wenn es dann in einer Krise mal schlecht läuft für den Kapitalmarkt, hilft quasi selbstredend die Allgemeinheit aus. Siehe 2008 und Folgejahre. Das darf sich nicht mehr wiederholen. Hier gehört das System schleunigst geändert.

Finanztransaktionssteuern sind das Gebot der nahen Zukunft. Handel von Aktien und Anleihen, Besteuerung von Derivaten von Aktien und Anleihen gehören anständig besteuert. Mit weit mehr als den 2011 angedachten und dann bis heute verworfenen 0,1% bzw. 0,01%. Das ist ja lachhaft. Der Hochfrequenzhandel und die Arbitragegeschäfte sind sowieso reinste Auswüchse einer in sich geschlossenen, von der Real- und Volkswirtschaft völlig entrückten Blase aus Gier. Hier gehört reingefahren.

Das funktioniert natürlich nur, wenn in einem größeren System als nur in Österreich geschraubt wird. Europa wäre schon mal ein Anfang.

Es braucht eine Restrukturierung, eine Auffrischung des Systems Staat, eine Besinnung auf die Verantwortung primär gegenüber den Leuten, nicht primär gegenüber dem Markt. Eine Verschiebung des politischen Narrativs hin zum Menschen, weiter weg vom Markt.

Anständige Beschäftigungsverhältnisse, Eindämmung kapitalistischer Auswüchse samt ordentlicher Besteuerung des Finanzmarktes. Sicherung von Versorgung aus eigenen Händen vor Herumschippern von Waren rund um den Globus. Mensch vor Markt. Überhaupt Richtschnur Mensch.

Awakening

Weil`s ja irgendwann wirklich nicht nur mehr mit Humor hingenommen werden kann.

Das eine ist die Menschenmenge, die sich in die Stadthalle be- und dort einem Prediger hingibt, der vorgibt, in einem Drogenrausch Jesus begegnet zu sein. Na echt jetzt, sickern lassen! Die Menge sprengt sich in Trance und ihren Verstand weg, breitet die Arme aus, labert berauscht von Jesus und so und ist in all ihrem Glaubensfanatismus jedenfalls nicht bei klarem Verstand. Wo auch immer. Aber nicht dort.

Gut. Das gibt`s. Sekten und ihre Irren, Verirrten, Suchenden, Verzweifelten, Fragenden und Flehenden. Nicht nur bei Christen, sondern auch bei anderen Religionen. Immerhin sprengen diese Awakeninger sich und andere für ihren Glauben und ihr Seelenheil nicht in die Luft. Auch keine Tokioter U-Bahn-Sache oder gemeinsamer Suizid. Man kennt das ja.

Das andere ist Schönborn, der sich dort auch einen Auftritt gönnt. Als Oberhaupt der österreichischen Katholiken. Gut, jetzt könnte man sagen Ja, mei, Christen unter sich und auch ein bissi froh, dass es noch Hooligans unter ihresgleichen gibt, schaut der Schönborn halt mal vorbei und macht einen auf Oberhirte. Quasi Gegenprogramm zu den Hardcore-Muslimen, vor deren Glaubenstiefe sich das christliche Abendland so fürchtet und sich durch selbige in ihrer kulturellen Hegemonie so bedroht fühlt. Könnte man. Muss man aber nicht.

Man könnte auch sagen Schönborn, Oida, wo hat`s dich denn ausghängt? Als Oberglaubensbruder von Hunderttausenden österreichischer Katholiken hast du auf einer Veranstaltung der Awakeninger-Sekte fix nix zu suchen. Punktausfertig. Du spinnst ja. Und jetzt hau ab, ehe ich mich vergesse, du Vollpfosten. Könnte man. Muss man aber nicht.

Das Alleranderste ist Kurz, der wahlkämpfend dort auf der Bühne auftaucht.

Nein, es geht mir hier nicht um ihn und seine Politik. Die ist in ihren Inhalten Geschmacksache. Es geht mir um den Umstand, dass ein führender Politiker unsers Landes im Jahre 2019 eine religiöse Sektenveranstaltung dazu nutzt, Wählerstimmen zu generieren. Mit dem Kalkül, wahrnehmbar die christliche Karte zu spielen und Wähler zu motivieren ihn zu wählen. Er wusste natürlich im Vorfeld ganz genau, wer dieser Ben Fitzgerald ist, was dort an Sektensachen so abgehen wird, was das für Leute dort sind, was es heißt, Religion und Politik so eng zu verweben in einer säkularen Gesellschaft wie unserer. Und dennoch. Oder gerade eben.

Was ich nicht glaube, ist, dass er von dem „spontanen“ Gebet Tausender für ihn und seine Politik wusste. Ich hätte mir aber erwartet, dass er vor Ort sagt Oha, Freunde, das bitte nicht – bei aller christlichen Verbundenheit. Aber das geht nicht.

Nix.

Dieser Scheißdreck, der dort rund um Fitzgerald, Schönborn und Kurz abgegangen ist, ist genauso bedenklich und rückwärtsgewandt, wie all die chauvinistisch-fundamentalistische Rückbesinnung und Instrumentalisierung des Islam, die Erdogan vor mehreren Jahren für sich wieder entdeckt hat und andernorts noch gefährlichere Blüten treibt.

Das ist unerträglich und mit ein Kriterium dafür, dass die Türkei nicht als EU-fit gilt.

Und am Schluss ist dann noch Michael Prüller, bist du deppert. Pressesprecher der Erzdiözese Wien. Der ist einer der begnadetsten Oberdolme vor dem Herren hierzulande. Er nämlich versteht die Aufregung nämlich überhaupt nicht, weil, und jetzt kommt`s, die Christen doch aufgefordert seien, für Politiker zu beten.

Na, na, ernsthaft, Schmäh ohne – das hat der wirklich so gesagt.

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,

die letzten Monate und Wochen haben gezeigt, was nicht zuletzt seit Jahren am Horizont dräute, wovor die Mahner warnten, die Leichtgläubigen die Augen verschlossen und was die Hetzer und Vereinfacher in den Reihen der FPÖ erhofften: Das politische Klima hat sich mit Ihrer türkis-blauen Koalition, unter Ihrer Federführung und Ihrer Art des Regierens in Wort und Tat verschärft. Es werden Sachen gesagt, die noch vor kurzer Zeit undenkbar waren.

Die FPÖ konnte die Themenführerschaft übernehmen. Sie konnte ihre kruden Vorstellungen von Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten und der Europäischen Union von den verrauchten Stammtischen aufs höchste politische Tapet bringen, während Sie, Herr Bundeskanzler – unter der Wahnidee von einer nach außen hin friktionsfreien Koalitionsharmonie samt furchtbarer message control – nicht nur die Erscheinungsform und den Kern der ÖVP zerstören, sondern als Schweigender oder bestenfalls kalmierender Kommentierender fungierten und fungieren. In Ihrem Auftritt in der ZIB 2 im Jänner zeigten Sie, dass Sie auch einen auf ungeschminkt überheblich können.

Sie mögen es durchaus gut meinen mit dem, was Sie politisch tun. Vom Familienbonus bis zur Arbeitszeitregelung. Das muss einem nicht gefallen, aber dafür wurden Sie schließlich gewählt. Auch und vor allem wegen Ihrer Haltung in Sachen Asyl, Flüchtlinge und Migration überhaupt. Das ist zu akzeptieren.

Wofür sie aber auch verantwortlich zeichnen, und das ist nicht zu akzeptieren, –  das ist der eigentliche Grund meines offenen Briefes – sind die Grauslichkeiten der FPÖ. Die sind keine Rülpser mehr, keine Einzelfälle. Die sind Programm geworden.

Von Waldhäusel über Vilimsky bis Kickl.

Die Sie zulassen.

Die Sie hinnehmen.

Mit Schweigen oder mit halbseidenem Larifari.

Ihr Innenminister kann sich in Ihrem Kabinett den BVT-Dreck leisten. Er kann sich sogar Aussagen wie im „Report“ am 21. Jänner 2019 leisten. Kickl kann hier von autoritären Phantasien schwadronieren, vom „Anlegen mit der Menschenrechtskonvention“. Von Politik vor Recht. Kickl kann an Säulen der Rechtsstaatlichkeit rütteln.

Rundherum hört man ein Aufheulen. Aus der türkisen Riege ist BM Moser der Einzige, der etwas dazu sagen darf. Mit Kreide im Mund. Aus welcher Raison auch immer heraus.

Sie aber, der eigentlich Letztverantwortliche, reagieren nach außen hin überhaupt nicht darauf.

Sie schweigen.

Sie schweigen und stimmen damit zu.

Das ist schwach, Herr Bundeskanzler.

Das ist unerträglich und gefährlich.

Das ist verantwortungslos und eines Kanzlers nicht würdig.

 

Mit Grüßen

Mag. Harald Marth

8061 Sankt Radegund

 

 

 

Pädagogikpaket

Das nunmehr verabschiedete Pädagogik-Paket der jetzigen Bundesregierung hat mit Pädagogik nichts zu tun. Eher mit der Schulstruktur und der Leistungsbeurteilung. Also eigentlich Strukturpaket. Sei`s drum.

Rund um dieses Paket hat sich eine Diskussion entzündet, in der sich vieles zeigt, nur keine Sachlichkeit.

Zuerst zum Sachlichen.

  • Die letzten Jahre haben gezeigt, dass die Umwälzungen im Schulbereich keine nennenswerten Erfolge gebracht haben. Die Abschaffung der Leistungsgruppen in den Hauptschulen und die Umbenennung in Neue Mittelschulen und die Doppelbesetzung im Klassenzimmer waren für nix. Sie waren teuer. Das schon. Was bleibt sind Restschulen. Brennpunktschulen. Vorwiegend im städtischen Bereich. Das hat natürlich auch mit dem Zuzug und dem Nicht-Deutsch-Sprechen in den entsprechenden Familien zu tun. Da muss man ganz ehrlich sein in der Diskussion.

Jedenfalls war die NMS kein Erfolg. Sie hat den gymnasialen Unterstufen einen stark gestiegenen Zulauf beschert. Also gehörte da etwas seitens der Politik gemacht. Das ist nicht schwer zu verstehen, wenn man nicht gerade eine ideologisch verschmierte Brille trägt.

Für die Vielzahl der Gymnasien heißt dies seit vielen Jahren: prall gefüllte Klassenräume, vollste Auslastung, knappest bemessene Ressourcen und die, sagen wir mal verhaltene Zuteilung selbiger seitens des Bundes. Viele Gymnasien stemmen das nicht mehr so leicht. Also gehört da auch etwas seitens der Politik getan.

Die Politik hat nunmehr dahingehend reagiert, indem sie zwei Standards in den baldmehrigen Mittelschulen eingeführt hat und den Einheitsgatsch trocken gelegt hat. Ermöglichung der äußeren Differenzierung, quasi Leistungsgruppen, um homogene Lerngruppen erstellen zu können. Das ist keine rückwärtsgewandte Bildungspolitik, das ist die Behebung eines verbrieften Missstandes. Dies birgt die Möglichkeit in sich, die NMS wieder aufzuwerten und die gymnasialen Unterstufen zu entlasten. Niveauhebung da wie dort möglich.

Differenziert statt undifferenziert. Nix mit Finnland. Das hätte ich gern. Aber das ist eine andere Geschichte.

  • Ziffernnoten in den Volksschulen ab der 2. Klasse, 2. Semester – naja, weiß nicht
  • freiwilliges 10. Schuljahr im Poly – dagegen kann man nichts haben
  • verpflichtender Förderunterricht – auch dagegen nicht
  • regelmäßige Eltern-LehrerInnen-Gespräche – auch dagegen nicht

 

Jetzt zum Emotionalen

In der hitzigen Diskussion rund um dieses Paket zeigt sich, wie stark die Politik der Bundesregierung polarisiert und die Menschen spaltet. Im Parlament, wie in den sozialen oder nicht sozialen Medien. Ereifert wird sich über die vermeintliche Rückkehr der Rohrstaberlpädagogik, über eine inegalitäre, bourgeoise, elitäre Schulpolitik, eingebettet in zeitweilig blindwütiger Klassenkampfrhetorik.

Diese Spaltung treibt Blüten, die einen im ersten Moment zur Erheiterung gereichen vermögen, etwa wenn eine Kritikerin darüber schwadroniert, dass derartige „rechte Experimente Zeichen einer Dumpfheit sind, die Methode wird und auch Bildungsziel ist“. Oder wenn jemand anderes das „Rechts in der Bildung“ sieht, das von „Ordnung, Engstirnigkeit und militärischem Drill“ gekennzeichnet ist. Man verbaue den Kindern die Zukunft, meint wieder ein anderer, jetzt fehle nur noch die Einführung der Prügelstrafe, urteilt eine andere.

Das ist alles zusammen Unsinn. Leider findet sich diese lachhafte Überspitzung nicht nur im anonymen Netz, sondern da und dort auch im Parlament.

Diese Emotionalität, gepaart mit Ahnungslosigkeit und/oder ideologischer Verblendung ist eine gefährliche Sache, heizt sie doch eine Atmosphäre an, die das soziale Gefüge vergiftet. Dem gilt es entgegenzuarbeiten.

Die Arbeit der Regierung zu kritisieren, ist das eine. Da gibt es genug. Von der Kassenreform über die Reform der Mindestsicherung bis hin zu BVT und Umfärbungen. Diese Kritik sollte aber sachlich sein und da und dort nötigenfalls eine scharfe Pointierung erfahren. Das aufgeregt Blindwütige schadet der Seriosität der Opposition und stärkt die Populisten in den Regierungsparteien. So bleibt die jetzige Regierungskonstellation alternativlos.

Pamela Rendi-Wagner hat in all ihrer negativen Kritik zumindest auch etwas Gutes an diesem Schulpaket gesehen. Das ist schon mal ein Anfang.

Vermögenszugriff und Mindestsicherung

In Sachen Mindestsicherung wird der Vermögenszugriff nach der Einigung von ÖVP/FPÖ nun doch nicht abgeschafft. Auch für die „Aufstocker“ bleibt der Vermögensentzug. Entgegen anderslautenden Ankündigungen in Vorfeldern. Die Regierung gibt vor, den Ausländern die soziale Hängematte so unbequem wie möglich zu machen bzw. sie ihnen von vornherein zu verunmöglichen. Dazu eine gehörige Prise „Arbeit muss sich wieder lohnen“. Das kommt gut an und ist mehrheitsfähig.. Weiterlesen

Von Schülern und Lehrern

Gerade der anstehende Schuljahresschluss zeigt auf, welche Unbilden, Stresszustände, Streitereien, Feilschereien, kleine und große persönliche Katastrophen das System Schule mit sich bringen kann.

Die Lehrer_innen sehen sich in teils hohem Maße mit viel Getöse rund um die Notengebung konfrontiert. Ihnen gegenüber die Schüler, die im letzten Moment noch das Ruder herumreißen wollen, die Eltern, die für ihr Kind natürlich das Beste wollen und darin oft die Konfrontation mit der Lehrperson verstehen, dazu anstehende Noteneinsprüche, die jetzt amtsdeutsch Widersprüche heißen, und Tränen und Gezänk. Viel Druck.

In all diesem Notengewürge gehen da wie dort die nötigen Blickschärfen verloren. Zeit für ein Nachschärfen.

Auf der einen Seite die Lehrer_innen. Sie trachten das Jahr über danach, die Schüler_innen in ihrer Entwicklung bestmöglich zu fördern. In ihren Fähigkeiten, in ihrer Persönlichkeit, in ihrem Wissenserwerb, in dessen Reproduktion und dessen Transfers. Natürlich wissen wir alle, dass nicht alle Lehrende das mit demselben Aufwand, der gleichen Empathie, auf gleicher Augenhöhe, mit gleichem Respekt, gleicher Hingabe und so weiter auch tatsächlich machen. Sie tragen auch ihr privates Leben in ihrem Rucksack mit, der manchmal kaum zu spüren ist, manchmal aber verdammt schwer sein kann. Die Lehrernden sind angehalten, nicht nur Fach-, sondern auch Menschenschulung zu betreiben und danach zu trachten, dass aus den Kindern auch mal was wird. Das ist keine leichte Aufgabe für den einzelnen Lehrenden, vor allem angesichts des Umstandes, dass in den Sekundarstufen I und II dem einzelnen Lehrer 100 bis 150 heterogene Schüler mit all ihren persönlichen Hintergründen und Besonderheiten überantwortet sind, die sie in unterschiedlichen Klassen- und Gruppenzusammensetzungen stundenweise wechselnd in unterschiedlichen Fächern mit ihren eigenen Persönlichkeiten unterrichten. Das stellt nicht nur in den Unterrichtsstunden, sondern auch außerhalb derer ein hohes Maß an intensiver sozialer Interaktion dar. Neben all dem fachbezogenen Zeugs. Täglich. Von verhaltensauffälligen Schüler_innen, die diese Interaktion zudem auch noch kreativ bereichern und teils enormen Energieaufwand brauchen, sei hier gar nicht die Rede.

Auf der anderen Seite die Schüler_innen (bleiben wir bei den Sekundarstufen). Sie sehen sich je nach Schulart und -stufe etwa 8 bis 15 Lehrer_innen gegenüber, auf die sie sich einzustellen und einzulassen haben. Mit denen sie das Jahr über auskommen müssen. Meisten sind es mehrere Jahre. Tag ein Tag aus, stundenweise abwechselnd, dackelt ein anderer Lehrer in die Klasse und will etwas. Der eine ist angespannt, unfair, ungerecht und unleidig. Der andere locker drauf und witzig, charismatisch und agiert auf Augenhöhe mit ihnen. Der nächste zieht sein Ding trocken durch, ist langweilig, fordert viel. Der übernächste sieht die Sache entspannter und lässt es immer wieder mal schleifen. Und so weiter und so fort.

Die Schüler_innen haben es mit einer Menge an Lehrern zu tun, von denen sie in irgendeiner Form abhängen. Dieses dem System Schule immanente Ungleichgewicht ist nicht für alle Beteiligten durchgehend lustig. Das ist natürlich mitunter Stress für viele Schüler. Die Schüler_innen müssen mitarbeiten, ihre Hausübungen mitbringen, brav sein, denken, reden, aufmerksam sein, nicht tratschen und sitzen. Entschuldigungen für Absenzen vorlegen, irgendwelche Abschnitte von irgendwelchen Elternbriefen oder Ähnlichem abgeben oder an die Rückgabe der Bibliotheksbücher denken. Sie müssen sich rechtfertigen, den Anforderungen entsprechen, um ihre Versäumnisse herumdrucksen, sich im Soziotop behaupten und zurechtfinden, mit der Pubertät und der Adoleszenz kämpfen, mit den ersten Schmetterlingen im Bauch herumstacksen und mit ersten Enttäuschungen auf vielen Ebenen umgehen lernen. Das ist verdammt viel. Das ist in Sachen Energiebedarf oft mehr als der in einem Vollzeitjob eines Erwachsenen. Das sind echt arme Menschen. Mitunter.

Dazu braucht der einzelne Schüler noch eine Schwäche haben, sagen wir in Sprachen oder Mathematik, weil es die Klassiker sind, und fertig ist oftmals die Überforderung, die sich dann am Schuljahresende so richtig zeigt. Nehmen wir an, der Schüler ist dazu noch ein fauler und bequemer Mensch, der gerne alles auf den letzten Drücker macht. Dann brennt`s lichterloh. Dann sind wir bei den Tränen und dem Gezänk, dem Gefeilsche, dem Nachbringen von Sachen, den leidigen Entscheidungsprüfungen und all dem Scheiß, wie oben angerissen. Dann gibt es vielleicht noch persönliche Probleme, eine zweite Schwäche und Grenzen in der kognitiven Kapazität.

Dabei haben wir noch gar nicht vom diesem Schüler als eine Privatperson gesprochen. Ein Jugendlicher, der seine Probleme hat. Zuhause, mit Mitschülern oder überhaupt mit sich selbst. Wir haben auch noch nicht davon gesprochen, dass der Schüler vielleicht auch persönliche Vorlieben außerhalb des Schulbetriebs hat. Vielleicht ist der junge Mensch eine begnadete Seglerin, eine tolle Tänzerin, ein begabter Eishockey-Crack, eine tolle Musikerin oder ein super Kicker. Hierin investiert der junge Mensch auch viel Zeit, weil es ihm Spaß macht, er darin aufgeht und sich dort so richtig selber spüren kann. Aber dann ist ja da auch noch die Schule und all die Anforderungen, die diese stellt. Und die Pubertät. Und die Eltern, die keine Ruhe geben. Und und und.

Ziehen wir jetzt das alles auf einen Punkt zusammen.

Sagen wir, der Punkt ist in all dem oben skizzierten Spannungsfeld ein anstehendes Nicht genügend in Mathematik, das seitens des Schülers monatelang verhindert werden wollte, jede Menge Zeitaufwand gekostet hat und seine Hobbys hintanstellen hat lassen. Der Lehrende wird zusehends zum Feindbild. Ob Letzterem das gefällt oder nicht. Daneben immer wieder Stress mit den Eltern, die Druck ausüben, Sachen verbieten und viel in Nachhilfe investiert haben. Dort die Lehrerin, die neben besagtem Schüler noch einige andere Sorgenkinder am Schuljahresende hat, in den letzten Tagen aus dem Prüfen gar nicht mehr herauskommt und ständig mit Notendiskussionen konfrontiert ist. Buhfrau sowieso. Und zudem sieht sie ihr Fach und dessen Inhalte unumstößlich als sehr wichtig an.

In derartigen Spannungsfeldern stehen jede Menge Schüler und Lehrer und mit ihnen auch Eltern. In derartigen Spannungsfeldern gehen Emotionen in jede Richtung los. Die Lehrerin ist in den letzten Jahren immer öfter die Alleinschuldige, der Schüler der Faule, Schwache, der einfach Ungenügendes geleistet hat, und der polternde Elternteil legt ein oder mehrere Schäuferl nach.

In derartigen Spannungsfeldern wäre es gut, die Blickschärfen wieder nachzustellen. Die Lehrerin in ihrer Gesamtheit zu sehen, den Schüler in seiner Gesamtheit zu sehen und sich für das kommende Schuljahr vorzunehmen, von Anbeginn an das eine oder andere anders zu machen.

 

 

Mindestsicherung neu

Weil die Mindestsicherung neu gerade wieder viele Menschen beschäftigt, die Medien aufregt und ein guter Freund sich zurecht über dieselbe echauffiert und im selben Atemzug Kanzler Kurz und seinen Viize Strache fragt, ob sie sich bei den Betroffenen entschuldigen würden, wenn sich herausstellt, dass 563€ pro Monat (nur für Flüchtlinge, Anm. d. Verfassers) zu wenig sind, um überleben zu können: Ich denke nicht, dass „Entschuldigungen“ eine taugliche Kategorie im politischen Geschäft ist. Ich denke auch, dass diese Frage gar nicht gestellt gehört.

Vielmehr gehört eine andere Frage gestellt. Warum nur auf die Flüchtlinge losgehen? Mehr dazu unten.

Nun. Eines vorweg. Vor vielen Jahren, nach einer veritablen familiären Krise, musste ich über gut zwei Jahre vom Existenzminimum leben, auf das mein Gehalt zusammengestutzt wurde. Lohnpfändung. Das waren um die 700€. Ich weiß es nicht mehr genau. Menschliche Verdrängungsleistung. Was ich aber noch genau weiß: Es war mir nur schwer bis zeitweise nicht möglich, über die Runden zu kommen, hätte ich nicht den einen oder anderen guten Freund gehabt, der mir mal ausgeholfen hat. Dazu Schulden bei der Bank, die an diesen rund 700€ auch noch geknabbert haben. Ich hatte noch einen wunderbaren Menschen, der mich eine beträchtliche Zeit unentgeltlich in einer Wohnung leben ließ. Das privilegierte mich unter meinesgleichen. In solchen Zeiten lernt man viel. Also was es heißt, mit wenig Kohle auskommen zu müssen, weiß ich. Mindestsicherung gab es in der Form nicht. Das der Vollständigkeit halber.

Worauf ich hinaus will: Das System Österreich lässt es zu, dass ein arbeitender Mensch mit einem unkündbaren Job beim Bund, der stets Steuern zahlt, Sozialabgaben leistet, das ganze Programm, derart zusammengestutzt wird, dass eine Existenz an der Kippe steht. Dieser Staat nimmt dir dann auch noch doppelt Krankenkassenbeiträge, weil du einen Zweitjob annehmen musst, um den einen oder anderen Hunderter mal mehr dazuzuverdienen (soll ja jetzt abgeschafft werden).

Eine Entschuldigung vom damaligen Kanzler habe ich nie in Erwägung gezogen, hätte mir auch nichts gebracht.

Was ich gewollt hätte, war eine Systemänderung. In Sachen Krankenkassen, Doppelversicherung und Zusammenführung der Versicherungsträger. Lange vor Sebastian Kurz. Aus eigener Betroffenheit, persönlichem Einblick in diese Aufgeblähtheit und persönlicher Recherche und Analyse. Jetzt tut sich dahingehend etwas und zudem hat dieses System eine Mindestsicherung und ich bin begeistert. Von dem einen, wie vom anderen.

So. Mittlerweile hat dieses System Österreich seit einiger Zeit also eine Mindestsicherung. Die ist super. Die ist toll. Das verstehe ich unter Solidarität.

Jetzt geht die Regierung her und kürzt die Mindestsicherung (vorbehaltlich juristischem Standhalten auf nationaler und europäischer Ebene). Kürzt hauptsächlich nur für Flüchtlinge und Mehrkindfamilien. Für alleinstehende Österreicher bleibt sie gleich. Für österreichische Alleinerzieher wird sie höher.

Konkret in €/Monat:

  • Alleinstehende 863 (früher auch) – Flüchtlinge 563
  • Alleinerziehende 1179 (früher 1096) – Flüchtlinge 879
  • Familie (2 Kinder) 1553 (früher 1760) – Flüchtlinge 1133
  • Familie (5 Kinder) 1683 (früher 2459) – Flüchtlinge 1263

– Asylberechtigte haben Anspruch auf Mindestsicherung mit Deutsch auf B1-Niveau oder Englisch auf C1-Niveau.

– Mindestsicherungsbezieher in Österreich: rund 210 000 Menschen (Quelle: Eigenrecherche der Zeitung Kurier)

– Es gibt dann auch noch Arbeitslosengeld und Notstandshilfe.

Jetzt ist zum einen zu sagen, dass es gut ist, dass sich der Staat die Mindestsicherung leistet und angesichts der Erwerbstätigen in diesem Land auch leisten kann. Das ist schön. Das ist sehr sozial und moralisch vorbildlich, denke ich. Ich bin voll dafür, dass in einem reichen Staat kein Mensch vergessen wird, dass für jeden ein Fangnetz bereitsteht. Meines war damals das „Existenzminimum“. Um die 700€. Wir erinnern uns.

Zum anderen kann man hinzufügen, dass diese Solidarität keine Selbstverständlichkeit in einem Staatswesen ist, wenn man sich mehrere andere Länder auf der Welt ansieht. Dieses wunderbare soziale Netz, das wir in Österreich haben, ist nicht üblich. Nicht in Südamerika, nicht in Südostasien und nicht Afrika und anderswo.

Seit 2015 kommen vermehrt Kriegs- und andere Flüchtlinge zu uns und geben dem System Mindestsicherung unversehens Brisanz und sozialen Sprengstoff. Weil viel höhere Kosten, Leistbarkeit, Nachhaltigkeit und Einwanderungsanreiz. Keine Frage. Dazu Chauvinismus, Nationalismus und Populismus. Wir und die anderen.

Zur Mindestsicherung als soziale Errungenschaft kommt mit den Flüchtlingen auch die Frage nach dem Bezieherkreis, nach Gerechtigkeit, moralischer Vertretbarkeit und gesellschaftlicher Verantwortung hinzu.

Hierbei kann man vieles gegen die „Mindestsicherung neu“ einwenden. Angesichts der obigen Zahlen etwa die Frage: Warum ist das dritte Kind weniger wert als das erste? Oder: Warum erhöht man bei Alleinerziehenden (zugegeben ein sehr soziales Zeichen!), kürzt aber bei Familien mit 2 oder mehr Kindern? Das sind berechtigte Fragen. Die Antworten liegen wahrscheinlich irgendwo zwischen nachhaltiger Leistbarkeit und politischem Signal.

Ich denke, die Stoßrichtung ist angesichts obiger Zahlen klar erkennbar: Zwei und mehr Kinder haben wohl nach landläufiger Meinung vorwiegend Nicht-Österreicher (man kennt die Vorurteile und die Zahlen) und die gilt es, wie die Flüchtlinge auch, zu treffen. Denen will man es ungemütlicher hierzulande machen.

Zudem will man verhindern, dass es sich auch „Einheimische“ in der „sozialen Hängematte“ bequem machen, weil sie ja ohnehin im elterlichen Haus bzw. in der elterlichen Wohnung oder so in der Art umsonst hausen können. Leistung muss sich wieder lohnen. Man will Arbeitsanreize schaffen.

Das ist nicht neu. Das sollte uns jetzt nicht überraschen. Das hat sich schon im Wahlkampf angekündigt und wird jetzt auch durchgezogen. Für derartige Ansagen und Versprechen wurde die Regierung auch gewählt. Jetzt löst sie dies ein. Wir erinnern uns: Wer ins System einzahlt, soll auch von selbigem profitieren, wenn`s ihm mal beschissen geht oder vielleicht gar nichts mehr geht. Ich kenne dieses „beschissen“. Und 863€ wären mir damals auch lieber gewesen als die 700€, die ich trotz eines 40-Stunden-Berufs noch bekommen habe. Aber gut.

Die Kürzungen bei der Mindestsicherung treffen also die Flüchtlinge. Das ist der Punkt, der diskutiert gehört. Nicht die Leistbarkeit des Lebens mit 863€, respektive 563€ für Flüchtlinge.

  • Jetzt gibt es hierzulande die, die sagen: Das geht nicht. Das widerspricht den Konventionen. Wir müssen denen helfen. Das muss sich ein reicher Staat leisten können. Er muss es.
  • Und es gibt die, die sagen: Das geht sehr wohl. Immerhin haben die nichts ins System eingezahlt. Also sollen sie weniger bekommen und überhaupt froh sein, dass sie überhaupt etwas kriegen. Wir Österreicher müssen gar nichts.

Diese Ansichten gehen diametral auseinander. Die letzte Wahl hat eindeutig gezeigt, wohin der Weg gehen soll. Das ist Faktum. Das muss nicht gefallen.

Warum kürzt man also die Mindestsicherung für Flüchtlinge?

Das ist unverkennbar ein politisches Zeichen, das von der Wählerschaft so eingefordert wurde. Das ist unverkennbar die Umsetzung der Ankündigung, dass man angesichts unseres tollen Sozialsystems Nutznießer von außen nicht mehr anziehen will. Gemeint sind da wohl all die, die über das Mittelmehr oder andere Routen aus Afrika oder den Nahen Osten nach Zentraleuropa ziehen. Zugegeben, 863€ sind für einen in seiner Heimat perspektivenlosen Eriträer aus der Ferne gesehen kein Lercherlschas. Das verdienen dort die wenigsten. Und ein bisserl was heimschicken wird man schon können. So die trügerischen Annahmen. So das gängige Bild. Daraus die gängigen politischen Ableitungen wie oben erwähnt.

Und diese politischen Ableitungen fanden angesichts des Wahlergebnisses wie  gesagt großen Widerhall. Und finden ihn noch immer. Laut einer aktuellen profil-Umfrage begrüßen über 70% der Befragten die genannten Maßnahmen in der „Mindestsicherung neu“.

Natürlich kann man jetzt viele Betroffene zu Wort kommen lassen, wie es der Kurier heute Sonntag macht. Das ist gut. Diese Leute brauchen ein Stimme. Ich hätte damals auch gerne eine gehabt. Aber man darf nicht ausblenden, dass 863€ ausreichen, über die Runden zu kommen. Schön ist das nicht. Ich kenne das. Aber es geht. Mit Mühe. Aber auch nur mit persönlichen oder familiären Kontakten oder bei Inanspruchnahme von Wohnbeihilfen bzw. Wohnkosten- und/oder Heizkostenzuschüssen, die seitens der Bundesländer angeboten werden. Die gibt es ja auch. Anzapfen kann man staatseidank mehrere Hähne. Der Staat hat mittlerweile wunderbare soziale Systeme.

Ich denke dennoch nicht, dass es die zentrale Frage in all der aufgeregten, aktuellen Diskussion sein sollte, ob man mit der Mindestsicherung neu auskommen kann. Diese Frage stellen sich die politisch Verantwortlichen wohl auch nur am Rande.

Es soll ja eine Maßnahme sein, die „Arbeitsbereitschaft“ der Bezieher zu erhöhen (da spielt auch das Hickhack mit dem AMS hinein), aber dennoch auch zu zeigen, dass die engen Maschen des sozialen Netzes nicht vergrößert werden sollen, damit mehr durchfallen. Nein. Die „Unsrigen“ sollen eh weiter so gestützt werden. Die Flüchtlinge aber nicht so weit. Die sollen ruhig leichter durchfallen, für die soll es unbequemer werden. Oder besser: Die sollen gar nicht mehr kommen. Für die „Unsrigen“ bleibt ja eh alles gleich – siehe Alleinstehende und Allleinerzieher in der Mindestsicherung.

Das ist nicht schön. Nein. Das muss einem nicht gefallen. Mir auch nicht. Aber der Regierung geht es um obige Ansätze und Ankündigungen. Und da kann man noch so viele Frau Annas, Renés oder Marias in Tageszeitungen zu Wort kommen lassen. Deren 863€ werden ja eh nicht angegriffen. Wenn sie ein Kind und keinen Partner haben, bekommen sie sogar 80€ mehr. Da gehen die Zeitungen einer Form des Populismus auf den Leim.

Die eigentliche zentralen Fragen in dieser aufgeregten Diskussion sollten sein: Warum behandeln wir Flüchtlinge künftig als Menschen zweiter Klasse? Warum geben wir denen, die mit nichts zu uns kommen, nicht nur überhaupt weniger Chancen, sondern aus unseren Sozialtöpfen jetzt auch noch weniger Kohle? Und wie moralisch verwerflich ist das eigentlich?

Der Umgang einiger aufgeregter Medienvertreter mit diesem Thema ist meines Erachtens nicht genau genug. Nicht die Kürzung an sich ist furchtbar. Sie ist deswegen furchtbar, weil sie zu einem sehr sehr sehr hohen Prozentsatz die Flüchtlinge trifft und selbige zu Menschen zweiter Klasse macht. Das finden über 70% super. Das ist das eigentlich Bedenkliche.

Und ich wette, dass eine oben genannte Maria oder Anna da und dort daran gar keinen Anstoß nimmt, wenn man sie danach fragen würde.

Schulverwaltungsreform auf Steirisch – Suhle statt Schule

Lassen Sie mich mal nüchtern anfangen in Sachen Zweigleisigkeit in der Verwaltung:
Die Verwaltung der Schulen ist ein komplexes und teures System in unserem Land. Denn auf der einen Seite haben wir die Landesverwaltung (Gleis 1), die sich um das Pflichtschulsystem kümmern muss, und auf der anderen Seite (Gleis 2) haben wir die Bundesverwaltung, die sich um das Bundesschulsystem kümmern muss. Also – vereinfacht dargestellt – dort die Zuständigkeiten für Volksschulen (VS) und Neuen Mittelschulen (NMS), Berufsschulen (BS) und Fachschulen (FS), hier die Zuständigkeiten für Gymnasien, HTL, HAK und HAS (AHS und BMHS). Und dazwischen Schulerhaltung und Budget, die da wie dort gestaltet und verwaltet werden und natürlich und vor allem auch ein wesentlicher Machtfaktor sind. Dann noch Schulrecht, Schulpsychologie und Pädagogik. Die Kindergärten gehören sowieso den Gemeinden. Andere Baustelle.
Das alles braucht Personal. Jede Menge. Das kostet Geld. Steuergeld. Auch jede Menge.
In den Landesabteilungen der Bundesländer (Gleis 1) und in der Bundesbehörde, sprich im Landesschulrat, der jetzt bald Bildungsdirektion heißt (Gleis 2) wird unser Steuergeld hierfür aufgewendet. Und – jetzt kommt`s – nach dem Willen der letzten rot-schwarzen Regierung sollen in dieser Direktion beide Verwaltungsstränge zusammengeführt werden (Gleis 1 + Gleis 2), weil kostengünstiger, effektiver und alles an einem Ort.
Aber, und hier ist die Krux an der Sache: Das Bundesland hat oft eine andere Farbe als der Bund, bzw. wird, wie in der Steiermark, das Land in seiner Bildungsabteilung (Gleis 1) rot geleitet (Ursula Lackner), der Landesschulrat (Gleis 2) schwarz (Elisabeth Meixner). Letztere ist auch als künftige Bildungsdirektorin fix. Ihr politisch übergeordnet ist aber die rote Bildungsabteilungsleiterin Lackner (Gleis 1). Die wiederum untersteht dem obersten Chef in der Steiermark, dem schwarzen Schützenhöfer (Gleis 1), der als Landeshauptmann einer Bundesbehörde (Gleis 2) vorsteht, die wiederum dem Bundesministerium (Gleis 2) untersteht.
Letzteres zur Darstellung der österreichischen föderalistischen Verfasstheit.
Also ehrlich, viel verworrener und machtverknoteter geht es nicht. Aber das ist Österreich. Das ist es, was immer wieder unter dem Schlagwort „Verwaltungsreform“ von eifrigen Bundespolitikern in Vorwahlzeiten in den Mund genommen wird, ihnen aber nach der Wahl von der Machtrealität draußen in den Ländern wieder zurück in den Rachen gestopft wird. Das ist eine jener Ausformungen eines „aufgeblähten“ Staatsapparates, der so gern so oft „schlanker“ gemacht werden will. Slim fit.
Aber so einfach ist das nicht, wie man das dem Wählervolk in periodischen Abständen weismachen möchte.
Darum ist diese Fusionssache im Haus der Bildungsdirektion (ehemals Landesschulrat und seit 2013 schwarz geführt, wir erinnern uns) alles andere als leicht. Die Roten im Land, Gefolgsleute des einstigen SP-Landeshauptmannes Franz Voves, interessieren sich einen Dreck dafür, ihre Landesagenden (wir erinnern uns: VS, NMS, BS, FS) in die „neue“ Behörde (Bildungsdirektion, schwarz geführt) zu überführen. Warum? Weil dann der Einfluss in Sachen Direktorenbestellung und Personalpolitik de facto weg wäre.
Die Schwarzen im Land finden diese Fusion durchaus ok, weil … erraten: Machtzugewinn. Aber die müssen sich seit Jahren mit den widerborstigen Roten gfretten, die ihre Felle davonschwimmen sehen.
Kurzum: Diese Sache mit der sinnvollen Abschaffung der Zweigleisigkeit ist schwierig. Sehr schwierig. Ins Slim fit passt man nicht so leicht.
Warum ich das jetzt so ausführe? Weil gerade wieder teilöffentliche Diskussion, weil die Kleine Zeitung (hierzulande unumschränktes Informationsblatt) sich der Sache annimmt, aber keinen größeren Raum geben und somit an der Oberfläche nur unscharf bleiben kann, und weil breite Unkenntnis der Ist-Lage für viele sowieso die „Is-ma-wurscht, da kenn i mi net aus“- Haltung gilt.
Und ich führe das hier aus, weil die jetzigen Wortmeldungen der politisch Verantwortlichen so grundunehrlich, verlogen, resignativ und scheinheilig sind.
Der ÖVP-Klub übt sich in Schonhaltung. Der meldet in personam Jürgen Rainer freimütig, man würde es lieber so lassen, bevor man sich hier mit dem Koalitionspartner überwirft und in Grabenkämpfen keine Landgewinne zeitigen kann. Comfort fit.
Vonseiten der SP verlautbart Bildungslandesrätin Ursula Lackner aber Unpackbares: „Angesichts der Herausforderung, die die Schaffung der neuen Schulbehörde mit sich bringt, ist es sinnvoll, die Bildungsdirektion nicht vom Start weg mit allen möglichen Agenden zu beauftragen.“ Was?
Geh bitte, also ehrlich: Diesen Dreck glaubt ja keine Sau! Und hier ist das Grundproblem begraben: Fehlende Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit. Man nimmt denen das ja sowieso nicht ab und trotzdem wird das in der Öffentlichkeit lanciert.
Das ist der Gipfel der blödsinnigen Perfidie! Man will der „neuen“ Bildungsdirektion nicht zu viel zumuten, weil sie sonst überfordert wäre, die Arme? Für wie blöd hält die SP die Leute draußen eigentlich?
Darum führe ich das hier aus!
In der Bildungsdirektion arbeiten seit vielen Jahren rund 200 qualifizierte Bundesbedienstete. Die Leitung der Bildungsdirektion (Direktorin und Amtsdirektor) und die Abteilung 6 der Landesverwaltung Steiermark samt privatem Unternehmen arbeiten seit Jahren an einer Eingleisigkeit der Schulverwaltung, wenngleich friktionsbeladen – siehe Gründe oben – und jetzt heißt es: Naja, wegen der möglichen Überforderung lass ma das mal so. Schön langsam. Schau ma mal.
Es braucht keine Schulverwaltungsreform auf Steirisch! Es braucht keine verhohlene Hand, keine geäußerten Nebelschwaden und keine brüchigen Finten.
Es braucht mehr Ehrlichkeit in der Politik. Es braucht mehr Verantwortlichkeit für die Sache, für die Schulen, und nicht für die eigene Suhle.
Es braucht mehr Mut und Anstand, der es einem verunmöglicht, die anderen für deppert zu verkaufen. Und vor allem braucht es eine Entpolitisierung der Schulen und deren Verwaltung.
Mehr Schule statt Suhle!

Deniz Yücel – ein Danaergeschenk

Nach einem Jahr wird also der deutsche Journalist Deniz Yücel aus türkischer Gefangenschaft, respektive Geiselhaft entlassen. Nach außen hin ansatzlos. Es gab nie eine Anklage, keinen Prozess, kein Urteil, nur Terrorstempel für einen Kritiker. Dazu diplomatisches und weniger diplomatisches Hickhack vor und hinter den Kulissen.

Deniz Yücels Entlassung ist aber keineswegs ein Kotau der türkischen Regierung, es ist kein Erfolg deutscher Diplomatie, sicher auch kein humanitärer Akt. Deniz Yücels Entlassung ist kühles Kalkül vor einer erhitzten Lage in Syrien, in der die Türkei wesentlich am Befeuern ist. Deniz Yücels Entlassung gleicht einer trügerischen Geste, die mit mehr als Argwohn zu betrachten ist.

Auf der eben zu Ende gegangenen Sicherheitskonferenz in München gibt der türkische Ministerpräsident Yildirim gegenüber der deutschen Presseagentur selbstbewusst freimütig zu Wort, dass seine Regierung nun auf eine verstärkte deutsch-türkische Rüstungskooperation hoffe. Es geht um die „Altay“-Panzer, die mit wesentlichem deutschem Know-How für die türkische Armee gebaut werden sollen.

1000 Kampfpanzer. Für eine Armee, die kürzlich unter dem Vorwand der Terroristenbekämpfung in das benachbarte Syrien einmarschiert ist, um die seit eh-schon-immer gehassten Kurden zu jagen. Jene Kurden, die YPG, die mit US-Unterstützung gegen den IS gekämpft haben, ausgestattet mit jeder Menge Selbstbewusstsein, militärischen Erfolgen, geschichtlicher Unterdrückung, amerikanischen Waffen und US-Know-How.

Die Türken sehen sich im Recht, die Kurden verfolgt, die Amerikaner brüskiert, die Syrer provoziert, die Russen alarmiert.

Die Türken sind NATO-Mitglied. Die USA auch. Syrer und Russen nicht.

Jetzt blasen die Türken den Deutschen mit Deniz Yücel sanft Zucker in den Arsch. Die Deutschen sind NATO-Mitglied.

Das Ganze bekommt abseits dieses NATO-Quirks zusätzliche Brisanz. Assad nämlich unterstützt jetzt die Kurden gegen die Türken. Und Assad wird von Putin unterstützt. Also im Hintergrund USA gegen Russland mit ihren Werkzeugen Kurden und Assad und dazwischen jetzt die aufgeblasenen Türken. Im Hinterhof formiert sich die Hisbollah mit dem Iran, provoziert die Israelis. Die wiederum wie eh und je: Dampfhammer und Kriegsgeheul.

Das alles in nur einem Land. Mehr als ein Hauch von Kalter Krieg liegt in der Luft.

Auf der Sicherheitskonferenz in München gab Yildirim auch zu verstehen, dass das deutsche Trara rund um den Panzerdeal für ihn (und somit für die türkische Staatsführung) nicht verständlich ist, zumal die deutschen „Leopard“-Panzer ihrerseits ja für Selbiges benützt werden. Nämlich für die Sicherung der NATO-Grenzen.

Das ist natürlich eine sehr verwegene Sicht auf den Umstand, dass die Türkei auf fremdem Staatsgebiet ungefragt vehement gegen eine Volksgruppe vorgeht. Quasi erschlagen wir sie jenseits der Grenzen, damit sie diesseits keine Ansprüche stellen können. Dazu Terrorbekämpfungs- und NATO-Grenzsicherungsvorwand und in Richtung EU wieder ein bisserl Kreide gekaut und der Versuch, die EU über die Deutschen indirekt in den drohenden Krieg hineinzuziehen. Zumindest in den Konflikt.

Syrien ist heute nach dem Krieg Aufmarschfläche für weltpolitische und regionale Strategen in Vorbereitung auf den nächsten Krieg und eine Neujustierung der weltpolitischen Kräfteverhältnisse. Und in dieser hochexplosiven Gemengelage aus dem Iran, den USA, den Russen, der Hisbollah, den Israelis und den Syrern, um die es sowieso am wenigsten geht, will die Türkei auch mitmachen und endlich die Kurdenfrage auf ihre Weise lösen. Dabei zieht sie die NATO-Karte, brüskiert damit willentlich die Amerikaner, die eh mehr auf America first machen wollen, und schmiegt sich tückisch an Merkels noch starke Schulter. Und lässt Deniz Yücel als Testballon frei.

Eine Schachpartie der besonderen Art. Bleibt zu hoffen, dass die Deutschen bei ihrer kalten Schulter bleiben, bei ihrem Stopp für Exportgenehmigungen, den sie mit Beginn der laufenden türkischen Offensive in Syrien deutschen Rüstungsunternehmen verordnet haben, und erkennen, dass die Freilassung Yücels das ist, was sie ist: ein Danaergeschenk.